Etwa 400 m westlich der Fürstenbergkapelle stößt man auf einer kleinen Anhöhe, auf einer vorspringenden Bergnase, dem sog. “Richters Köpfchen”, auf die Überreste einer alten Grenzburg: die Vorstenburg.
Welche Bedeutung hatte diese Burg? Wie groß war sie? Wer bewohnte die Burg? Viele Fragen, die einer Antwort bedürfen.
Im 12. Jahrhundert waren die Kurfürsten von Köln Landesherren von Westfalen und sicherten ihre Landesgrenzen mit Burgen wie die Vorstenburg vor allem gegen die Grafen von der Mark und die Grafen von Arnsberg. Erste Ausgrabungen im Jahre 1906 brachten “nur” spätmittelalterliche Kulturfunde zu Tage: u.a. zwei Rittersporen, eine Pfeilspitze aus Eisen, ein eisernes Messer eine Anzahl großer, eiserner Nägel und glasierte und unglasierte Steinzeugscherben sowie Tierknochen.
23 Jahre später begann der bekannte Neheimer Heimatforscher Bernhard Bahnschulte mit seinen Ausgrabungen und Untersuchungen vor allem nach Fundamenten der Vorstenburg. Nach einigen vergeblichen Versuchen stieß er endlich auf Mörtel und Steine und nach kurzer Zeit gelang es, die in gerader Richtung verlaufende Westfront in einer Gesamtlänge von 24,50m freizulegen.
Die durchschnittliche Stärke betrug 1,50m. An der Außenseite wurden etwa 30 sauber behauene Grünsandsteine gefunden, darunter eine 0,80m lange und 0,40 m breite Fensterbankschräge, Teile von Fenstergewän-den, Schlusssteine sowie drei schöne kreuzförmige Abschlusssteine für Fenstergiebel, die Fensterstürze. An anderer Stelle entdeckte Bahnschulte einen “Innenraum” und endlich die untere Fundamentkante.
Lageplan der Vorstenburg Schließlich ergaben sich folgende Maße: Die Nordfront maß 39,80m, die im Winkel von 120° sich anschließende Ostfront scheint trotz Unterbrechung etwa 20m - 22m nach Süden zu verlaufen. Die bereits erwähnte Westfront war also 24,50m lang und schnurgerade, die Südfront maß 30m.
Hier wurden zwei Innenräume und eine Treppe festgestellt. Bahnschulte vermutete, dass diese Ausmaße nicht die Grundmauern eines einzigen Gebäudes gewesen sind. Der Eingang scheint an der Nordostecke gelegen zu haben.
Durch ihn gelangte man - wie in anderen Burgen üblich- in den Burghof. An der warmen Südseite mit Aussicht auf das Ruhrtal befanden sich sicherlich die Wohngebäude. Aus den zahlreichen behauenen Fenster- und Schlusssteinen schloss Bahnschulte, dass die Vorstenburg nicht nur eine primitive Wachtburg, sondern eine Kampf- und Wohnburg war, und somit auch über einen Bergfried, ein Herrenhaus (Pallas), ein Frauenhaus (Kemenate), Küche und Kellerraum verfügte. Die Lage der einzelnen Gebäude konnte nicht festgestellt werden. Da größere Reste von Ziegelsteinen fehlen, muss angenommen werden, dass im allgemeinen Grauwacke zum Bau verwendet wurde, im übrigen Lehmfachwerk für die wenigen wichtigen Gebäude. Das Leben auf der Burg war keineswegs komfortabel. Die Heizung durch Kamine war unzureichend, die Fenster konnten mit Brettläden verschlossen werden, so dass man zwischen Dunkelheit und Zug wählen konnte. Der Fußboden bestand aus gestampftem Lehm. Da aus der Vor- und Frühgeschichte allgemein keine schriftlichen Aufzeichnungen existieren, steht auch das Gründungsjahr der Vorstenburg nicht fest. Die nachweislich älteste urkundliche Erwähnung datiert aus dem Jahr 1300, dabei handelt es sich jedoch um einen Wiederaufbau, so dass also schon vor 1300 die Burg existierte und bewohnt war.
Sie wurde mehrmals im Laufe der Jahre zerstört. Nach der letzten im Winter 1443/44 wurden die Herren der Vorstenburg auf der Waterlappe in Bremen und später auf dem Wasserschloss Neu-Fürstenberg etwa 1000m nördlich des Fürstenberggipfels sesshaft. Die Vorstenburg diente aber noch eine zeitlang als Wohnburg. Sie als Kampfburg wieder aufzubauen war nicht notwendig, da 1369 die Grafschaft Arnsberg an Köln verkauft wurde und damit die Vorstenburg als Grenzburg nicht mehr in Frage kam.
Auch wenn heute nur wenige Überreste zu sehen sind, erinnert die Stelle an vielfältige Vergangenheit auf heimatlichem Gebiet.
Quelle:
Heimat entdecken mit Bernhard Bahnschulte,
zusammengestellt und eingeleitet von Werner Saure
Dassel-Druck GmbH, Arnsberg 1998,
ISBN 3-9805004-4-4-6